Komme mir nochmal einer mit „Cinque Terre“!

Die Überschrift lässt es vielleicht vermuten, heute war ein ereignisreicher und nicht immer positiver Tag. Aber der Reihe nach.

Hinkommen

Nachdem das Wetter heute von Vornherein besser vorhergesagt war, stand nun Cinque Terre auf dem Plan. Auch für diesen Ausflug wollten wir wieder von La Spezia aus starten. Ihr kennt ja aus Florenz schon meine emotionalen Schwierigkeiten mit italienischen Parkhäusern und so habe ich wieder mal vor der Herausforderung gestanden, eine geeignete Parkmöglichkeit zu finden. Eigentlich wollten wir nicht wieder am Hafen parken, denn wir mussten zum Bahnhof und das ist ein gutes Stück. Eigentlich…

Also habe ich mir das Parkhaus direkt unter dem Bahnhof ausgesucht, welches aber durchaus auch negative Bewertungen und in den letzten Monaten auch manche Diebstähle zu verzeichnen hatte. Und: Es wurde häufig angemerkt, dass es „Dauerbesetzt“ sei. Auch bei unserer Ankunft gab es eine kleine Schlange und das Schild zeigte „Besetzt“. In dem Moment setzte sich bei mir der Entschluss durch: Wir parken doch am Hafen und nehmen uns einen Mietroller für den Weg zurück zum Bahnhof.

Also noch einmal 2 Kilometer durch italienischen Stadtverkehr, einen schönen Parkplatz finden und dann auf zum Mietroller. Die App dazu hatte ich schon vorsichtshalber zuhause installiert. Inklusive Registrierung und Zahlungsmethode. Zwei verfügbare Roller in der Nähe waren schnell gefunden und schon konnte es los gehen. Theoretisch…

Das Starten der App und das Scannen des QR-Codes auf dem Roller waren schnell erledigt. Doch dann wollte die App, dass wir unser Profil ergänzen. Dabei waren drei Felder noch offen: Ein Foto von Vorder- und Rückseite unserer Personalausweise und ein Feld namens „Cap“. Leider hat sich mir nicht erschlossen, was das denn für eine Information sein sollte und so war der Versuch, einen Roller zu mieten, nach ca. 15 Minuten App-Verzweiflung gescheitert.

Eva hatte sich aus dem Unterfangen schon früher emotional verabschiedet und sich stattdessen den quietschgelben Mietfahrrädern gewidmet. Auch dort war eine Registrierung und das Hinterlegen der Kreditkarte erforderlich. Doch zumindest gab es keine dubiosen Felder im Profil zu pflegen. Es scheiterte eher an der Mechanik. Ich habe es nicht geschafft, das Fahrrad aus der Verriegelung zu bekommen. Zum Glück kam ein freundlicher Helfer des Vermieters zufällig vorbei. So konnten wir zwei Fahrräder aus den Klauen der Mietstation befreien und mit insgesamt (Parkplatzsuche und Mietuntersatz) einer knappen Stunde Verspätung in Richtung Cinque Terre starten.

Ich vorneweg…
Und Eva hinterher!

Doch ganz so einfach war es dann doch nicht. Vor der Abfahrt stand nämlich das Problem des Fahrkartenkaufs. Nun muss man wissen, dass die Wanderwege in Cinque Terre großteils gegen Eintritt bewandert werden dürfen. Dafür gibt es die Cinque Terre Card, die neben den Wanderwegen auch die Anreise per Zug beinhaltet. Zunächst wollte ich eine physische Karte in Papierform erwerben, denn mit dieser wären wir unabhängig vom Füllgrad des Handy Akkus. Aber nachdem ich die Schlange vor der Tourist Info gesehen habe, bin ich zurück zur hilfsbereiten Dame vom Service und habe den QR Code für die Online-Bestellung gescannt.

Jetzt kann mir ggf. mal jemand erklären, wieso die Website einer der größten Touristenattraktionen weit und breit nur auf italienisch funktioniert? Mein Browser kann sie zwar auf Deutsch übersetzen (Google), doch dann funktioniert z.B. die Auswahl eines Gültigkeitsdatums nicht mehr. Nach einigem Hin und Her hatte ich plötzlich 4 Karten im Warenkorb, die ich zwar löschen konnte, doch die eigentlich gewünschten ZWEI Karten für Eva und mich waren dann auch gelöscht. Und ich konnte keine neuen in den Warenkorb packen. Schrott-Website! Eva musste also nochmal ran und auf ihrem Handy die Karten bestellen. Sicherheitshalber wurden die QR-Codes noch per Screenshot kopiert und das PDF lokal gespeichert. Man weiß hier nie…

Ankommen

Die Schlangen vor den Fahrkartenautomaten und der Touristen Information sowie die unfassbar große Anzahl an Leuten auf dem Bahnsteig ließen keinen Zweifel: Ein Geheimtip ist Cinque Terre nicht mehr. War es das jemals?  Wir sind jedenfalls bis „ans Ende“ der fünf Dörfer gefahren um von Monterosso nach Vernazza zu wandern. Im ersten Moment waren wir von der Masse der Touristen regelrecht erschlagen. Das wurde lediglich übertroffen von den hunderten Wanderern, die in Neuseeland morgens beim Einstieg für Tongariro Crossing abgekippt werden. Aber so viel Tourismus hat auch gute Seiten:

Die Toiletten am Bahnhof waren sauber, weil auch Personal da war, welches kontrollierte, ob der Besucher zahlen musste oder als Besitzer der Wanderwege-Eintrittskarte das WC kostenlos benutzen durfte.

Und außerdem gab es WLAN für die ganze Region mit individuellem Username und Passwort. Theoretisch.

Wir sind also zunächst mal etwas frustriert zwischen Bade-belatschten und Strandkleid-bekleideten und hunderten anderen Interessierten die Ufer-Wander-Promenade entlang gegangen und dann langsam bergauf in die Route nach Vernazza ein gestiegen.

Unser Ausgangspunkt (Monterosso)

Durch kommen

Wenn man sich im Vorfeld über die diversen Streckenabschnitte der Küstenroute informieren will, kommt man irgendwann auch auf dieser Webseite vorbei. Wenn man sich dort die Etappen so anschaut und zur Kenntnis nimmt, dass die Lieblingsstrecke (Der Liebeswanderweg zwischen Manarola und Riomaggiore) wegen Erdrutsch bis auf weiteres gesperrt ist, dann bleiben eigentlich nur die beiden Anfangsetappen von Monterosso nach Vernazza und von dort weiter nach Corniglia. Also schauen wir uns mal an, was in der Beschreibung zu den Etappen steht:

Erster Abschnitt:

Die Wanderung beginnt im alten Ortskern von Monterosso. Man nimmt die kleine, steigende Straβe entlang der Felsklippe unterhalb des Hotels Porto Roca (rot-weiße Markierung). An liebevoll gepflegten Weinhängen schlängelt sich der Wanderweg stetig bergauf und geht dann letztlich relativ eben weiter. Immer wieder genieβt man einen traumhaften Ausblick auf das glitzernde Meer und wenn der malerische Ort von Vernazza ins Blickfeld rückt, schlägt das Herz wirklich schneller.

Zweiter Abschnitt:

Ab Vernazza führt der Wanderweg stetig bergauf. Am Aussichtspunkt Punta Palma (208 Meter ü. M.) ist die Hälfte des Weges nach Corniglia, dem kleinsten Ort der fünf Dörfer, geschafft. Dieser Ort liegt als einziges Dorf nicht direkt am Wasser, sondern 100 Meter über den Klippen. Um ans Meer oder den Bahnhof zu gelangen, muβ man entweder viele Treppen steigen oder eine kleine Asphaltstraβe (ca. 15 Minuten) gehen.

Wir haben uns also für den ersten Abschnitt entschieden und uns mental die Option offen gelassen, ggf. den zweiten Abschnitt noch dran zu hängen. Und jetzt kommt mein Abgleich mit der Realität auf dem Wanderweg.

„An liebevoll gepflegten Weinhängen schlängelt sich der Wanderweg stetig bergauf…“ Ach echt? Drauf geschissen. Es geht permanent, wirklich PERMANENT in Treppen bergauf. Die Treppen sind so ausgewaschen und schmal, dass man alle paar Meter stehen bleiben muss, um entgegenkommende Wanderer vorbei zu lassen. Und die Weinberge sind nicht liebevoll gepflegt, das sind teilweise fast verwilderte Grundstücke. An anderer Stelle findet man einfach nüchterne, relativ neu angelegte Weinberge. Das hat mit „liebevoll gepflegt“ oder gar romantisch nix zu tun.  Hier mal ein Foto mit den provisorischen Schienen einer „Mono-Rail“ Weinbergbahn:

„… und geht dann letztlich relativ eben weiter.“ Das ist glatt gelogen. Es gibt keinen einzigen Abschnitt von nennenswerter Länge, auf dem es relativ eben weiter gehen würde. Es geht IMMER entweder bergauf, oder bergab. Meist als Treppe aber immer so schmal, das man gar nicht einfach laufen kann. Andauernd muss man für den Gegenverkehr anhalten, Platz machen, entweder halb vom Weg fallen oder in die Böschung kraxeln. Das ist dermaßen unverschämt dass ich mich im Nachhinein frage, wofür die Halsabschneider eigentlich 7,50€ pro Wanderer kassieren. Versaufen die das?

Übrigens: Wenn man zwischendurch mal auf die Idee kommt, etwas im Internet nachschauen zu wollen… WLAN gibt es da nicht!

„Immer wieder genieβt man einen traumhaften Ausblick auf das glitzernde Meer…“. Wenn der Italiener mit „immer wieder“ genau 3 Stellen entlang der Wanderung meint, an denen man nennenswerten Ausblick auf die Küste und das Meer hat, dann ist das sogar korrekt. Hier die beiden besten Ausblicke auf das Meer:

Die überwiegende Zeit läuft man jedoch so weit weg von der Küste zwischen Büschen, Bäumen und Sträuchern, dass man eigentlich auch irgendwo auf der Welt in der Sommerhitze durch den Wald rennen könnte. Und fotografierenswerten Ausblick auf Vernazza gibt es genau 2 Serpentinen vor Schluss der Wanderung.

Kurz vor Schluss doch noch ein schöner Blick…

Zu allem Elend und mitten auf der Strecke gab es eine Passage mit niedrig wachsenden Bäumen, deren Äste mir meine Lieblings-Cap vom Kopf und den Hang hinunter gefegt haben. Meine zum Geburtstag geschenkte „Skipper“ Mütze. Der erste Gedanke war: Die bekomme ich nicht mehr wieder. Ein letztes „Auf wiedersehen“ Foto wurde gemacht. Da lag sie zwischen all den Dornen:

Doch Eva hatte die rettende Idee und hat sich ein paar tiefe Kratzer eingefangen bei dem Versuch, sie wieder zu holen. Am Ende waren wir als Team erfolgreich und jetzt liegt sie zum Glück wieder vor mir. Die Mütze…

Da man bis kurz vor Vernazza noch Höhenmeter nach Oben macht, geht es auf dem letzten halben Kilometer um so steiler bergab. Der Blick ist dann nicht so sehr auf das fotogene Ziel gerichtet, sondern eher sorgenvoll auf die Weinberg-Eingrenzungen. Ziemlich massives und rostiges Stahlgitter mit oben einfach abgeknipsten Enden, das in kaum Hüfthöhe darauf wartet, stolpernde Wanderer freundlich auf zu spießen. Dabei entgeht einem fast dieser schöne Ausblick:

Am Ende der Etappe war ich so durchgeschwitzt, dass ich dringend Abkühlung brauchte. Eva konnte sich nicht beherrschen und hat es für die Nachwelt festgehalten:

Fortkommen

Nach der Erfahrung auf der ersten Etappe hatten wir keine Motivation, den nächsten Abschnitt in Angriff zu nehmen. Stattdessen schmiedeten wir den Plan, mit dem Zug einfach ein/zwei Dörfer in Richtung Heimat zu fahren und uns die dortige Altstadt an zu schauen.

Übrigens: Wenn man im Zug auf die Idee kommt, z.B noch einmal im Internet die Cinque Terre Karte auf zu rufen und das ideale Dorf zum Aussteigen zu suchen: Das beworbene WLAN gibt es da nicht!

Also sind wir in Manarola ausgestiegen. Es war aber schon fortgeschrittener Nachmittag und auf die Idee sind einige hundert andere Urlauber auch gekommen. Am Ende war der Bahnsteig so voll, dass wir nicht mal vom Bahnsteig runter waren bevor der nächste Zug in der gleichen Richtung ankam. Wir haben kurzerhand beschlossen, stattdessen bis nach Riomaggiore weiter zu fahren. Dort war bedeutend weniger los, wahrscheinlich ist das Dorf einfach auch ein bisschen größer. Aber so konnten wir uns noch einmal einen gemütlichen , kleinen Hafen ansehen und den Blick aufs Meer genießen.

Riomaggiore. Der letzte Eindruck von Cinque Terre.
Ein wirklich schöner, kleiner Hafen.

Dabei kam mir dann die Idee, nicht mit dem Zug nach La Spezia zurück zu fahren, sondern einfach die Fähre zu nehmen. Erstens fand ich die Idee reizvoll, das Dorf vom Wasser aus zu sehen und zweitens – ich wisst noch – stand das Auto eh am Hafen…

Riomaggiore vom Wasser aus.

Übrigens: Auch auf der Fähre…. gibt es das WLAN nicht…

Aber als weiteres Goodie konnten wir so die vielfotografierte Kirche von Porto Venere noch einmal aus einer neuen Perspektive bewundern:

Die Kirche von Porto Venere – ein letztes Mal.

Meine Alternative

Im Nachhinein empfehle ich einen anderen Ansatz, um sich Cinque Terre an zu schauen:

Ich würde mit dem Boot von La Spezia, über Porto Venere bis nach Monterosso fahren. So kann man den ganzen Küstenabschnitt mit all den Dörfern schon vom Meer aus bewundern. Und nur von dort aus kann man überhaupt erkennen, wie eng sich die Dörfer in die Buchten und Täler schmiegen.

Im Anschluss würde ich mit dem Zug Dorf für Dorf wieder nach Süden fahren und mir jeweils den Dorfkern und Hafen in Ruhe anschauen. So nimmt man ein bisschen Flair mit und umgeht den Trubel auf dem Wanderweg. Und wenn man das Ganze früh am Tag macht, dann muss man sich mit ein bisschen Glück auch nicht durch die Gassen schieben lassen.

Der einzige Abschnitt, den ich ggf, noch wandern würde, wäre der Liebesweg, so er denn irgendwann nicht mehr gesperrt ist.

Viele Grüße,
Bloke

2 Gedanken zu „Komme mir nochmal einer mit „Cinque Terre“!“

  1. Hey Martin, toller Bericht und richtig schöne Fotos! Kleiner Ersatz für die Plagen auf dem Wanderweg! Ich konnte mir annähernd vorstellen, wie es euch erging!! Witzig das Video am Wasser… ich wünsche Euch noch erholsame und fröhliche Tage in Bella Italia

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