Lockdown: Was zum Henker stimmt nicht mit der Welt?

Im Rahmen des Lockdown prallen mal wieder zwei Welten aufeinander: Die, die mitmachen und die Verschwörungstheoretiker…

Wie ihr wisst, hatten wir eigentlich vor, im Herbst ein paar Tage Urlaub zu machen. Das hat uns Corona aber verhagelt. Stattdessen gab es „Heimaufenthalt“. Und diesen habe ich verstärkt in den sozialen Medien verbracht. Es scheint, als ob der Lockdown-Light den Menschen aufs Gemüt schlägt.

Denn passend zum erneuten (Teil-)Shutdown im November stelle ich mir angesichts aktueller Posts in diversen sozialen Medien mal wieder die Frage: Was ist hier los? Was ist passiert? Soll das so sein, dass hier rein gar nichts funktioniert?

Seinen Anfang hatte das Ganze mit einem Posting auf Facebook. Es war ein generischer Text darüber, dass Menschen – obwohl sie eigentlich nicht manipuliert werden wollen – doch immer bestimmten Persönlichkeiten oder Meinungen hinterherlaufen würden, anstatt selbst nach zu denken. Bemerkenswert fand ich den völlig kontextlosen Teil der lautete: „Fakten bleiben Fakten, verdrehte Fakten bleiben verdrehte Fakten.“

Auf meine Nachfrage, was denn nun die Fakten wären, wurde mir vorgeworfen, ich wolle nicht selbst nachdenken. Und wenn man in der Schule in Chemie und Biologie gut aufgepasst hätte, würde man das schon selbst herausfinden können. Alles klar. Es ging also um irgendwas medizinisches, das schränkte die Themenauswahl auf Corona, Impfen oder Nahrungsergänzungsmittel ein. Und dann kam parallel zu besagtem Posting auch noch eine kleine Flut von Updates eines anderen Kontakts in Facebook. Also hab‘ ich mich mal damit auseinandergesetzt. Obwohl ich in Biologie nie gut aufgepasst und es in der Oberstufe abgewählt habe.

Alles nicht so schlimm

Zunächst wird seitens dieser Personenkreise behauptet, die Corona-Krise sei gar keine Krise, weil es gar nicht so viele Erkrankte gäbe. Grund dafür sei, dass der PCR-Test zu ungenau sei und zu viele False-Positives vorkämen. Außerdem würden dadurch zwar Fragmente des Corona-Virus-Erbgutes nachgewiesen, aber es sei nicht klar, ob dabei schon bzw. noch eine Ansteckungsgefahr bestehe. Ob es sich also um vermehrungsfähige Viren handele.

Dabei stellt sich mir doch glatt die Frage: Und?

Wenn jemand Virus-Erbgut im Körper hat, dann hat er auch den Virus in einer der drei Phasen:

  • Gerade eingefangen, Infektion entsteht gerade, er WIRD ANSTECKEND WERDEN
  • Infektion besteht, er IST ANSTECKEND
  • Infektion im Abklingen, er WAR ANSTECKEND

Was es fast nie bedeutet: Er hat und hatte keine Infektion. Also was soll die Diskussion? In 2 von drei Fällen ist oder wird er eine Gefahr für andere. Und genau aus diesem Grund heißt es auch überall: Im Abstand von ein paar Tagen nochmal testen. Und was die False-Positives angeht: Die spielen dann eine Rolle, wenn man pauschal ALLE testet. Hier wird in der Regel aber nur nach Anfangsverdacht getestet (Kontakt zu Infizierten oder Symptome vorhanden). Damit verschiebt sich das Risiko eher hin zu den False-Negatives. Regen sich die Leute wirklich auf, weil jemand ggf. zu Unrecht drei/vier Tage zuhause bleiben soll? Sind wir derart egoman geworden, dass wir nicht mal so weit Rücksicht auf andere nehmen wollen?

Übrigens gibt es hier eine schöne Erklärung dazu: Artikel bei Quarks.

Mir scheint als wäre die Antwort der Corona-Kritiker auf die Frage „Und was machen wir jetzt mit dem nicht 100 Prozentigen Test?“: „Nicht testen. Ist schon nicht so schlimm. Lass es doch laufen.“ Ergänzt um: „Risiko-Gruppen gezielt schützen.“

Während ich dem Ansatz, Risikogruppen gezielt zu schützen statt alle pauschal nach Hause zu schicken durchaus folgen kann, frage ich mich dennoch, ob ich wirklich das Risiko eingehen will, Corona zu bekommen. Denn die Langzeitfolgen scheinen nicht ohne zu sein. Und auch das Argument „andere Krankheiten haben auch Langzeitfolgen“ beruhigt mich da nicht allzu sehr.

Vermummungsgebot

Aber es gibt ja auch Masken, mit denen man das Risiko zumindest reduzieren kann. Aber Nein! Denn auch die Wirksamkeit von Masken wird heftig bestritten. Dazu wurde kürzlich ein Interview gepostet. Aber wenn man sich das genau anschaut, dann kommt darin auch folgender Passus vor:

„Das heißt aber nicht, dass man mit den Masken aufhören soll. Wenn viele Leute auf engem Raum sind, spricht ja nichts dagegen.“

Also entweder bringen sie nichts, dann kann man auch den Arsch in der Hose haben, ganz darauf zu verzichten. Oder sie helfen zu einem gewissen Grad doch. Aber dieses „Eigentlich bringts nichts aber tragt sie mal lieber weiter“ klingt für mich nicht allzu vertrauenswürdig.

Gerne werden auch verschiedene Politiker und Virologen referenziert, die über die Zeit hinweg und in Übereinstimmung mit dem wachsenden Wissen über das Corona-Virus ihre Meinungen und Empfehlungen angepasst haben. Die Erwartung scheint zu sein, dass alle zu Beginn alles hätten gewusst haben sollen, oder lieber geschwiegen bis sie volle Transparenz gehabt hätten. Dann hätte aber bis heute niemand was gesagt, weil man immer noch nicht alles weiß. Mir sind Fachleute lieber, die sich früh äußern und dann bei neuen Erkenntnissen nachbessern.

Wenn also auch Masken nichts helfen, dann bleibt die Hoffnung auf eine Impfung. Oder?

Dagegen!

Abgesehen davon, dass eine Impfung noch lange nicht in Sicht ist, kommen dann die nächsten Spinner. Die Impfgegner. Man beklagt sich, dass man vergiftet werde und dass Impfungen gefährlich seien. Ich will jetzt gar nicht auf alle Details eingehen, nur so viel:

1) Impfrisiken: Hier gibt es einen schönen Artikel von der Staatspresse. Besonders folgende Absätze möchte ich herausheben:

Im Nationalen Impfplan kann jeder nachlesen, was aus den mehr als 10 600 Verdachtsfällen wurde. 1036 Patienten oder ihre Verwandten beantragten eine Anerkennung als Impfschaden. Bewilligt wurden 169. „Das heißt, dass die Hinweise auf einen Schaden durch die Impfung überwiegen, nicht, dass tatsächlich die Impfung die Ursache ist“, sagt Stöcker. Ein Blick in den Arzneimittelatlas zeigt, dass die Zahl verschwindend gering ist. Ärzte in Deutschland rechneten im gleichen Zeitraum 211,2 Millionen Impfdosen ab.

Das öffentliche Bild der Impfrisiken ist eher von Gerüchten und Einzelfällen geprägt, beklagt Wolfram Hartmann, selbst Kinder- und Jugendarzt und Vorsitzender seines Berufsverbandes. Da behauptet ein britischer Arzt in einer zweifelhaften und inzwischen widerlegten Studie mit zwölf Kindern, die Masern-Impfung verursache Autismus – und verschweigt, dass er ein Patent für eine andere Impfung hält und die Anwaltskanzlei, die die Eltern vermeintlich geschädigter Kinder vertrat, ihm 3,5 Millionen Pfund zahlte. Da schwirrt ein Gerücht, dass der Hepatitis-Schutz Multiple Sklerose befeuert – ohne stichhaltigen Beleg. Da stirbt ein Mädchen kurz nach der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Später zeigt eine Untersuchung, dass die 14-Jährige unerkannt an fortgeschrittenem Krebs litt – doch das geht in der Aufregung unter.

2) Herdenimmunität: Hier wird erklärt, was das ist. Was mich an den Impfgegnern aufregt:

Während sie für sich in Anspruch nehmen, das relativ geringe Risiko der Impfung zu vermeiden, vertrauen sie andererseits darauf, dass sich schon genug andere finden, die sich impfen lassen. Das nenne ich Schmarotzertum.

Und sie nehmen in Kauf, dass ihr Kind (oder sie selbst) andere Leute infizieren, die sich – zum Beispiel aus medizinischen Gründen – nicht impfen lassen können. Das nenne ich Egoman.

3) Krankheiten auslöschen: Auch wenn man es nicht glaubt, aber mit Impfungen und der daraus resultierenden Herdenimmunität kann man tatsächlich Krankheiten auslöschen. Meiner Meinung nach kann man das eigentlich nur gut finden, es sei denn, man sympathisiert mit den vom Aussterben bedrohten Viren.

Und dann kommt irgend so ein Hampel an und behauptet, dass selbst die verlogenen Politiker sich nicht impfen lassen, obwohl sie uns immer weiß machen wollen, dass das so wichtig sei. Neuestes Beispiel: Die Premierministerin von Queensland, die angeblich eine Impfung vorgetäuscht hat. Dabei wird dann dieses Video verlinkt. Nach nur 2 Minuten Recherche findet man das eigentliche Video dieser Veranstaltung: Originalvideo ohne Kürzung.

An was mich das alles erinnert?

Diese ganze Kombination aus irreführender Interpretation von Statistik, selektierter und missbräuchlicher Auswahl von Quellen und Quellmaterial sowie der Unfähigkeit zur Abstraktion zusammen mit fundamentalen Schwierigkeiten mit Wissenschaftlichen Ansätzen erinnert mich frappierend an die Kollegen der Fraktion Flach-Erdler.

Für diejenigen unter Euch, die mal so richtig Spaß haben wollen, empfehle ich in diesem Zusammenhang die YouTube-Kanäle von SciManDan und Creaky Blinder.

Ohne an dieser Stelle ins Detail gehen zu wollen nur soviel: Das sind Menschen, die schon bei grundlegenden physikalischen Zusammenhängen Verständnisschwierigkeiten haben und sich daher die Welt auf eine Art und Weise erklären, die zu ihren mentalen Fähigkeiten passt. Dabei betrachtet man Wissenschaftler und allgemein Bekanntes als „Elitengesteuert“ und kompromittiert. Nur was man selbst erforscht und mit eigenen Augen gesehen hat, das ist wahr.

Das Ganze wird gepaart mit der interessanten Überzeugung, dass jeder, der nicht auch zu diesen Schlüssen kommt, ein Opfer der staatlichen Gehirnwäsche, unfähig selbst zu denken und damit ein Schaf in der Herde sei.

Meine zu Beginn erwähnte Rückfrage zu Fakten wurde im weiteren Verlauf der Diskussion kommentiert mit den Worten: „Ich dachte, Du wärst intelligenter, oder zumindest intellektuell breiter aufgestellt. Aber bleib ruhig bei Deiner Schwarz-Weiß-Denke.“ Na Danke!

Was es meiner Meinung nach wirklich braucht

Was meiner Meinung nach grundsätzlich und unabhängig vom jeweiligen Lager helfen würde:

  • Ich halte es für unrealistisch, den Grundsatz zu verfolgen, dass man unbedingt alles selbst erforscht und herausgefunden haben will. Damit negiert man jahrhundertelange Forschung. Und an welchem Gott-komplex muss man leiden um anzunehmen, dass man ALLES zu ALLEN Themen in kurzer Zeit und via Youtube genauso gut verstanden haben kann?
  • Sich Quellen anschauen und deren Vertrauenswürdigkeit einschätzen. Wie kann man ernsthaft Russia Today, den Propaganda-Sender, als vertrauenswürdige Quelle zitieren? Aber – weniger offensichtlich – auch eine Zeitung wie die NZZ zeichnet sich in der Regel durch starke politische Färbung und tendenziöse Berichterstattung aus. Dabei suggeriert „Schweiz“ doch eigentlich Unabhängigkeit…
  • Wenn man dann Quellen gefunden hat, diese nochmal kritisch hinterfragen und dann aber auch gelten lassen. Es gibt nicht umsonst Fachleute, die sich jahrelang mit Themen und Forschung beschäftigen. Wieso lehnen so viele Menschen Wissenschaft und Forschung ab? Woher kommt dieses unglaublich große Misstrauen? Wieso gehen manche Menschen davon aus, dass alle und jeder die Bevölkerung belügt, betrügt und manipuliert?
  • Was mich ganz besonders abstößt ist diese polarisierende Kommunikation, die schon fast ein Missionieren wird. Jeder, der nicht ganz genauso denkt muss entweder „umgedreht“ werden, oder ist als Herdentier zu verachten.

Meine Schlussfolgerung?

Ich habe eine Nachfrage gestellt (was sind denn die Fakten) und bin quasi umgehend als denkfaul angegangen worden. Das hat am Ende zu einer Eskalation geführt. Aber mir war schnell klar, dass es in diesem Fall nicht um einen Austausch ging, sondern um ein Bekehren (oder ein Baden in der Zustimmung der eigenen Filterblase, die ich gestört habe).

Ich habe einen Grundsatz: Wo ein sinnvoller Austausch nicht möglich ist, da halte ich es ganz Corona-Konform. Hygiene und Abstand. In diesem Fall: Kontakthygiene. Ich habe den Kontakt blockiert und „entfreundet“ und habe seither meine Ruhe.

Grüße,
Bloke.