Eine Konstante ist fix im Leben…

… nasse Schuhe am Stilfser Joch! Wie es dazu kam? Lest selbst:

Der erste Artikel in diesem Blog handelte vom Fahrrad-Tag am Stilfser Joch. Damals, vor 12 Monaten, hat es in der Nacht zum Radtag so viel geschneit, dass die Veranstalter kurzfristig das obere Drittel der Strecke wegen Schneeglätte geschlossen haben.

Ich hingegen war letztes Jahr halbwegs vorbereitet.

DIESES Jahr war alles anders. Aber auch wirklich alles. Bis auf eines, das war genau so wie letztes Jahr 😉

  1. Das Wetter dieses Jahr war zwar etwas unsicher, aber definitiv besser als letztes Jahr. Es hat weder auf der Hinfahrt noch am Abend und schon gar nicht auf der Passhöhe geregnet. Konsequenterweise gab es daher keinen Schnee auf dem Pass und auch keine Sperrung. Die ganze Strecke mit ihren 25 Kilometern und den 1.800 Höhenmetern war verfügbar.
  2. Aber ich war exzessiv untertrainiert. Ich saß dieses Jahr höchstens vier mal auf dem Rad und das auch nur bis ca. April. Somit hatte bis letzte Woche mein Bauchfett wieder die Herrschaft über die Oberschenkel übernommen. Und das sollte sich bitter rächen.

Hin

Wie immer am Freitag Abend: Erst mal mit dem Auto hoch. Strecke checken.

Auf der Anreise war die Welt noch in Ordnung. Die erfolgte zwar in leicht geänderter Zusammensetzung, aber bei schönem Wetter. Im Gegensatz zu meiner Mutter und deren Partner, saß dieses Jahr meine Freundin mit im Auto. Und irgendwo vor uns war ein Bus mit drei Arbeitskollegen unterwegs. Die Kollegen hatte ich im Laufe des Jahres „angefixt“. Da es sich um gut trainierte „Wöchentlichfahrer“ handelte war mir von vornherein klar, dass unsere Zeitplanungen für den Samstag herzlich wenig Überschneidungen aufzeigen würden. Und so kam es auch.

Backup-Plan: Wenn ich mal auf Fahrrad keine Lust mehr habe, dann damit: Ariel Atom 🙂

Die kurze Version:

Die Kollegen sind deutlich später als ich auf den Radtag gestartet, waren deutlich früher als ich zurück im Hotel, und hatten deutlich weniger Schmerzen – sowohl unterwegs als auch im Anschluss.

Die lange Version:
Aua!

Aber der Reihe nach:

Dass ich dieses Jahr – sagen wir mal – suboptimal auf das Stilfser Joch vorbereitet war wusste ich im Grunde sehr früh. Aber ich wollte es dennoch probieren, konnte aber nicht sicher sein, oben anzukommen. So gesehen fand ich es schön, dass meine bessere Hälfte sich bereit erklärt hatte, mit zu fahren. Es gab sogar einen Shuttle-Bus, der eine handvoll Schaulustige vor der Straßensperrung auf den Pass hoch gefahren und nach 16 Uhr wieder herunter gebracht hat. Diesen Shuttle hatte sie gebucht, obwohl ich es möglicherweise gar nicht bis oben schaffen und sie den Tag „alleine“ verbringen würde. Die Tatsache, dass sie da oben warten würde, hat mich zusätzlich motiviert, sie nicht umsonst dort warten zu lassen.

Holpriger Start!

Die Dame vom Tourismusbüro hatte uns sogar eine Busverbindung von Glurns nach Prad heraus gesucht (6:45 Uhr), damit sie pünktlich am Shuttle sein konnte. Und da ging der Tag dann los. Denn der Linienbus nach Prad kam nicht. Obwohl wir mit gut 50 Minuten Puffer zum Gipfelshuttle auf die üblichen Ungenauigkeiten bei Busreisen in entlegenen Gegenden gut vorbereitet waren, setzte 10 Minuten später das Adrenalin ein. Der örtliche Fahrplan an der Haltestelle vermerkte mit einer kleinen Fußnote, dass dies ein Bus an Schultagen war. Keine Verbindung…

Nächster Plan: Das Auto aus der Garade holen, hin und her gondeln und dann eine Stunde später auf dem Fahrrad starten…

Das gestaltete sich schwierig, Ich hatte nämlich den Garagenschlüssel nicht. Der war bei den Kollegen, die ihre drei Rennräder zu meinem Kombi in Sicherheit gebracht hatten – Fahrradkeller sind ihre Sache nicht. Und die Kollegen schliefen noch. Da niemand auf meine Nachricht reagierte und die Zeit raste, musste ein Alternativplan her. Zumal es mittlerweile so spät war, dass der Shuttle auf den Pass wahrscheinlich weg gewesen wäre.

Aber: Es waren um diese Zeit eine MENGE Leute mit dem Auto (und Fahrrädern auf dem Träger) auf dem Weg nach Prad. Also ging es auf die Schnelle per Anhalter. Eva war unterwegs und alles sah soweit gut aus.

Ich hatte aber doch Sorgen und wollte sichergehen, das alles geklappt haben würde. Deshalb habe ich mich überhastet fertig gemacht und bin mit kalten Beinen schnell nach Prad geradelt. 20 Minuten später hatte ich Gewissheit, dass alles geklappt hatte, war aber auch schon halb sauer gefahren.

Rauf

Wie ihr vielleicht noch vom letzten Jahr wisst, unterteile ich die Strecke aufs Joch in drei etwa gleiche Segmente:
  • Von Prad bis Trafoi
  • Dann von Trafoi bis Franzenshöhe
  • Und zuletzt von der Franzenshöhe bis auf den Pass

Jedes dieser drei Segmente besteht aus ca. 600 Höhenmetern und etwa 7-9 Kilometern Strecke.

Also bin ich, halb warm gefahren, halb sauer gerast, auf die Strecke gestartet. Überraschenderweise habe ich die ersten 600 Höhenmeter bis Trafoi noch gut hinter mich gebracht. Mir war ja klar, dass ich schlecht trainiert hatte, also habe ich grob mit ca. 2 Stunden je Abschnitt gerechnet. Und ich war tatsächlich nach ca. 1,5 Stunden (9:30) in Trafoi.

Good old boy arrived in Trafoi…

Allerdings habe ich da schon gemerkt, dass ich leicht über meine Verhältnisse gefahren bin. Die Beine haben gebrannt und die Puste ging heftig.

Eine gute halbe Stunde später, kurz vor dem „Weißen Stein“, passierte es dann: Krämpfe in beiden Beinen. Gleichzeitig. Ich bin fast vom Fahrrad gekippt. An Weiterfahren (zumal bergauf) war nicht zu denken. Schieben ging. Also beschloss ich, erstmal ein paar Serpentinen zu schieben. Bei einer kurzen Pause wenige Minuten später holten mich die ersten beiden Kollegen ein. Neben ein paar mitfühlenden Worten gab es für mich noch zwei Salztabletten und ein – ja was eigentlich – Nahrungsergänzungs-Gel, dass ich erst kurz vor einer der raren Toiletten nehmen sollte… :-O

Wisst ihr, wie ätzend diese Salztabletten schmecken?!?

Doch selbst nach einer 20minütigen Pause kamen die Krämpfe schon nach wenigen Metern Bergauffahren zurück. Ich wollte aber weder aufgeben noch rumsitzen. Also bin ich weitermarschiert und habe mich und mein Fahrrad Kehre um Kehre nach oben gewuchtet.

Nach einem guten Duzend Kehren erreichte ich irgendwann die Fanzenshöhe. Endstation vor einem Jahr. Aber diesmal: Bis zum Gipfel blauer Himmel.

Dieses Jahr ohne Schnee!

Hier gab es eine Erfrischung, Stärkung und ca. eine Stunde Mittagspause. Von hier aus sind es noch gut 7 Kilometer, 600 Höhenmeter und 22 Serpentinen bis zur Passhöhe. Ich hatte ja gehofft, dass sich meine Oberschenkel etwas erholen, sodass ich zumindest die längeren Geraden mit geringerer Steigung fahren könnte.

Aber schon kurz nach dem Ende der Pause wurde klar: An Fahren war nicht mehr zu denken. Sofort waren die Schmerzen in den Beinen zurück. Fürs Aufgeben war es trotzdem noch zu früh. Die Straße war noch 3 Stunden gesperrt. Theoretisch müsste ich die 6,5 Kilometer bis Oben in gut 2 Stunden schaffen. Also hab ich mich wieder schiebend auf den Weg gemacht.

Erstes Ziel: Wenigstens bis zu einer einstelligen Kehre kommen.

Fast geschafft. Noch eine unanständig lange Gerade und zwei Kurven bis zum nächsten Etappenziel.

Ungefähr bei Kehre 11, gut 3 km vor der Passhöhe, habe ich dann „oben“ angerufen um den Zwischenstand zu kommunizieren. Dabei wurde ich ein weiteres Mal über starken Regen informiert (Regen? Bei mir scheint die Sonne und von hier sehe ich auf der Passhöhe blauen Himmel. Wo soll da Regen sein?!?). Und selbst WENN: Umdrehen kam für mich JETZT nicht mehr in Frage, selbst wenn es mich den Berg hinunter spülen würde.

Also beschloss Eva, mir entgegen zu laufen. Das war wirklich sehr nett und mitfühlend, führte aber auch zu einer kleinen Diskussion: Sie meinte es gut und wollte mir den Rucksack tragen. Ich Dickkopf hatte mir aber in denselben gesetzt, es ganz ohne Hilfe zu schaffen. Und so dauerte es noch ein bisschen bis hier hin:

Das ultimative EINstellig.

So kamen wir gegen 15:20 Uhr oben an. Damit war zwar nicht mehr viel Zeit bis zur Abfahrt des Shuttles, aber genug um gemeinsam etwas zu trinken und sich ein bisschen zu unterhalten. Die späte Ankunft hatte auch einen großen Vorteil: Ein paar Stunden früher sah es so aus:

Irre. Wo kommen die alle her?

Runter

Während Eva also um 16 Uhr den Shuttle zurück nach Prad genommen hatte, saß ich noch bis fast halb5 oben auf dem Pass und habe mich erholt. Außerdem war ich nur mäßig motiviert im nun tatsächlich beginnenden Dauerregen die Abfahrt in Angriff zu nehmen. Ich hatte immerhin zig Spitzkehren und 1.900 Höhenmeter Gefälle auf ca. 30km Strecke vor mir. Mir war klar, dass das eine Tortur für Hände und Bremsscheiben werden würde.

Aber es führte ja kein Weg daran vorbei. Der Regen ließ nicht nach und auf dem Pass zu übernachten kam auch nicht in Frage. Also wurde an allen Extremitäten lange Regenkleidung und Fleece-Lagen angelegt und dann gings los.

Eigentlich ist bergab Fahren ja ein großer Spaß. Wenn man aber bei steigender Geschwindigkeit regenbedingt kaum noch aus den Augen schauen kann, dann wird das doch anstrengend. Zumal auf dieser Strecke erhöhte Aufmerksakeit dringend empfohlen ist. Zum Einen ist der Belag sehr häufig mit Bitumen geflickt worden, das bei Regennässe spiegelglatt wird. Bremsen sollte man darauf tunlichst nicht. Ich musste also permanent Ausschau halten und ausweichen, damit ich mich beim Anbremsen der nächsten Spitzkehre nicht lang lege.

Ja, das Bremsen. Ein Thema für sich. Zum Glück hat mein Fahrrad keine Felgenbremse. Diese kann bei solchen Abfahrten schon mal die Felge derart erhitzen, dass der Schlauch schmilzt und schlussendlich platzt. Aber auch bei Scheibenbremsen gilt es, möglichst in Intervallen und ggf. abwechselnd (vorne/hinten) zu bremsen, um der Hitzeentwicklung entgegen zu wirken. Ein besonderes Thema für mich, denn… Masse zieht ins Tal. Ganz ohne zu treten habe ich ca. 5-6 Radfahrer bergab überholt, einfach weil ich schneller gerollt bin.

So bin ich also, in Intervallen bremsend, die Augen kneifend und nach Bitumen Ausschau haltend, durch den Regen gerollt und habe dabei nicht nur das kalte Wasser im Schuh schwappen gespürt, sondern auch fast einen backsteingroßen Brocken auf der Straße übersehen. Den habe ich nur um Haaresbreite verpasst.

Zum Glück ging die Wolkendecke im Tal etwas zurück und auf den letzten Kilometern zurück zum Hotel haben mich erste Sonnenstrahlen schon wieder „angetrocknet“. Zeit sich zu fragen, wie Eva denn wieder von Prad zurück kommen würde. Hätte ich noch Zeit, mich kurz zu dusche? Das Auto aus der Garge holen? Oder war sie schon per Anhalter unterwegs?

Also ich zielich fertig, nass und kalt auf den Dorfplatz gerollt bin, standen da schon alle. Die Kollegen von Roche UND Eva. Wie das? Der nette Shuttlebusfahrer musste auf dem Heimweg sowieso durch Glurns und hat sie einfach mitgenommen. Das war nett!

Nach einer gefühlt endlos langen heißen Dusche haben wir uns alle zusammen noch auf den Dorfplatz gesetzt und etwas getrunken. Alle wollten mich überreden, mir ein Rennrad zu kaufen, und es nächtes Jahr noch einmal zu versuchen. Was mir damals noch nicht klar war: Das wurde zum Running Gag und seither werde ich regelmäßig nach dem Stand meiner Rennradauswahl gefragt. 😉

Zurück

Am Sonntag ging es gemütlich zurück nach Ludwigshafen. Wie erwartet gab es heftige Staus rund um den Fernpass und Ulm. Deshalb haben wir beschlossen, einen Zwischenstopp in Ehrwald einzulegen. Dort haben wir uns das Skigebiet – gehört zur Zugspitzarena – mal im Sommer angeschaut. Bei der Gelegenheit gab es wieder ein schönes Photo-Sphere Motiv:

[sps_img img_id=“1601″ caption=“Ehrwald sieht vielversprechend aus :-)“]

Vielleicht kommen wir hier in einem der nächsten Winter mal zum Skifahren her.

Zum Schluss gab es noch einen Kaiserschmarrn (kann mir ggf. jemand in den Kommentaren erklären, was der Schmarrn mit dem Kaiser zu tun hat?) und dann haben wir die restliche Heimfahrt absolviert.

Einerseits kann ich an dieses Abenteuer jetzt einen Haken machen, andererseits bin ich nicht ganz auf die Art hoch gekommen, wie ich das eigentlich vor hatte. Werde ich nochmal hin fahren? Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. WENN, dann erfordert das tatsächlich ausreichende Vorbereitung mittels Bergtraining im Sommer. Deutlich mehr, als ich dieses Jahr geschafft habe. Sollte ich also nächstes Jahr nicht ausreichend Zeit für die Vorbereitung finden, lass ich es lieber bleiben :-O

Gruß,
Bloke

2 Gedanken zu „Eine Konstante ist fix im Leben…“

  1. Chapeau, Martin und Glückwunsch !! Bei der nächsten Wandertour gibt’s aber keinen Rucksackträger mehr, wenn Du freiwillig 12km ein 20kg Fahrrad 1000 Höhenmeter schieben kannst… 😉

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