Auf-Ab: Wieso tu ich mir das an?

Im Nachhinein möchte ich Euch noch an einem Abenteuer teilhaben lassen, dass ich mir Anfang September – freiwillig – angetan habe.

Aber zuerst.. wie kam es dazu?

Im Sommer 2017 waren wir in Frankreich auf der Dordogne Kanu fahren. Zu dieser Zeit war auch die Tour de France dort unterwegs und wir hielten kurz an und schauten, wie das Teilnehmerfeld an uns vorbei rauschte. Das habe ich im Anschluss an die Ferien meinem Cousin erzählt, der meinte, er wollte schon immer mal – so wie die Fahrer der Tour – auf einen Pass fahren. Mit dem Fahrrad. Seine Bedingung: ohne Absteigen.

Die Idee fand ich gut und ich habe mich auch gleich auf die Suche gemacht. Beinahe zwangsläufig stieß ich dabei auf: Den Stelvio Bikeday.

Mein Cousin hat mich glaube ich zunächst nicht für voll genommen und hielt das für einen Spaß. Als ich ihn dann nach seinem Trainingsplan fragte sagte er „Du meinst das wirklich ernst, oder?“. Ja, meinte ich.

Am Ende hat er gekniffen ;-). Aber ich wollte das durchziehen und habe im Mai mit dem Training begonnen. Da mir letzten Herbst mein Fahrrad geklaut wurde, musste ich erst ein neues Trainingsgerät besorgen…

Während ich trainierenderweise die Hänge der näheren Umgebung beradelte, wurde der Partner meiner Mutter darauf aufmerksam. Das Ende vom Lied: Wir sind gemeinsam nach Italien gefahren um – für uns zum ersten Mal – am Stelvio Bikeday teilzunehmen.

Auf geht’s!

Vor der Abfahrt
Vor der Abfahrt: Alles verladen und gepackt

Der Stelvio Bike Day findet immer Anfang September statt, diesmal genau am 1. September. Da es morgens ziemlich früh los geht war klar, dass wir am Vortag anreisen würden.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten meldete die Wettervorhersage bereits im Vorfeld, dass das bisher schöne Wetter im Laufe der Woche wohl dem Herbst nachgeben würde. Wie passend. Aber das konnte uns nicht abschrecken. Ich hatte mir schließlich extra für dieses Event auch noch einen Fahrradträger gekauft. Und der musste sich rentieren.

Wie geplant, sind wir Freitag am frühen Mittag gegen 11 Uhr abgefahren. Die Hinfahrt sollte uns schon ein gutes Gefühl für das geben, was uns erwartete: Regen. Viel Regen. Dauerregen. Und Stau. Nach ca. 6 Stunden sind wir in Schluderns (Italien) angekommen und hatten uns schon vorher geeinigt: Wir fahren einmal mit dem Auto bis hoch, um uns ein Bild von der Strecke zu machen. Mir persönlich hilft es beim Einteilen meiner Kräfte, wenn ich weiß, was vor mir liegt.

Auf dem Pass - mit dem Auto
Am Freitagabend auf der Passhöhe…. Nass, aber schneefrei

Während der Fahrt durch die berühmten 48 Kehren habe ich mich mehr als einmal gefragt: Was mach ich hier eigentlich? Wie soll das enden? Die Steigung kam mir – im Auto sitzend – unglaublich heftig vor. Oben auf der Passhöhe war es vom vorherigen Regen noch nass, aber insgesamt schnee- und regenfrei.

Also beschlossen wir, unsere Hotelzimmer zu beziehen und uns bei einem gemütlichen Abendessen auf den kommenden Tag vorzubereiten.

Neuer Tag, neues Wetter…

Nachdem bereits am Vortag eine Nachricht der Organisatoren auf der Website des Stelvio Bike Day für Pessimismus sorgte (das zugehörige Volksfest „Bike Festival“ wurde wetterbedingt abgesagt), erwarteten wir mit Spannung ein Update bezüglich der Streckenführung. Bei Schnee oder sonstigen widrigen Bedingungen würde eine Teilstrecke gesperrt. Das wäre nicht nur grundsätzlich schade, sondern würde auch verhindern, dass wir wie geplant über das Stilfser Joch hinauf – und über den Umbrailpass wieder hinunter fahren könnten.

Wie sich herausstellen sollte hatten alle genutzten Wetter-Apps ein bisschen untertrieben. Aus „etwas Regen < 0,5mm“ bzw. dem Äquivalent als Neuschnee wurden ca. 15 cm Neuschnee auf dem Pass. In der Konsequenz wurde die Strecke nur von Prad bis zum Hotel Franzenshöhe freigegeben. Dennoch sind wir wie vorgesehen um kurz vor 8 Uhr morgens bei Nieselregen im Tal losgefahren.

Der Weg von Schluderns nach Prad verläuft noch entlang des Tals. Auf dieser Strecke macht man keine nennenswerten Höhenmeter. Aufwärmen muss man sich also über das Tempo, oder man fängt den Tag einfach etwas entspannter an. Das war unser Ansatz und so ging es relativ entspannt durch leichten Regen zum Beginn der Passstraße in Prad.

Der Berg ruft!

Wir hatten beschlossen, die erste „Bergetappe“ von Prad nach Trafoi gemeinsam zu fahren. Auf diesen ca. 12 Kilometern werden die ersten 600 Höhenmeter zurückgelegt. Das ist im Durchschnitt eine noch moderate Steigung. Dennoch gibt es bereits auf diesem Teilstück auch steilere Passagen. Hatte ich auf der Fahrt durch das Tal zunächst noch leicht gefroren (in Erwartung der teils heftigen Steigungen hatte ich von wärmerer Kleidung abgesehen und war lediglich mit langärmeligem Funktionsshirt und langer Radhose unterwegs), war die auf der ersten Bergetappe entstehende Körperwärme fast schon in der Lage, die Hose am Oberschenkel trotz des leichten Regens zu trocknen.

Um diese Uhrzeit, bei diesem Wetter waren wir auf der Straße weitestgehend alleine unterwegs. Zumal die Sperrung für den Autoverkehr traditionell auch erst in Trafoi beginnt. Dennoch kam es immer wieder zu Situationen, in denen man auf andere Mitfahrer „aufläuft“ und sich entscheiden muss, ob man sich deren Tempo anpasst, oder ob man den Kraftakt des Überholens auf sich nimmt, um danach wieder den eigenen Rhythmus fahren zu können. So kam es, dass wir – entgegen der Planung – weite Teile dieser ersten Etappe bereits unabhängig voneinander gefahren sind.

Halbzeit…

In Trafoi gab es für uns dann die erste „richtige“ Pause, in der wir uns konditionell auf den zweiten Teil – die Strecke von Trafoi zur Franzenshöhe – vorbereiten konnten. Dieser Abschnitt bringt wieder 600 Höhenmeter mit sich, verteilt sie aber – anders als der erste Abschnitt – auf lediglich 7,5 Kilometer. Die Steigung wird härter… Und vom Befahren der Strecke am Vortag war bereits klar: Hier würde jeder seinen Stiefel fahren und schauen, dass er nicht vom Rad kippt. Der Versuch, sich aneinander anzupassen und die Strecke gemeinsam zu fahren, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

Dieser Teil der Strecke ist geprägt von der ersten Hälfte der insgesamt 48 Serpentinen. Beim Befahren geht man durch ein Wechselbad von „Die Steigung ist zu heftig, die schaffe ich nicht“ und „hier in der Kurve geht es, da sammle ich Kraft für die nächste Steigung“. Ich wollte regelmäßig auf der Steigung aufgeben und schieben, hab mich dann aber bis zur nächsten Kurve durchgebissen. Dort angekommen wollte ich dann aber auch nicht anhalten und habe etwas Kraft gesammelt für die nächste Steigung. Während derer ich erneut beinahe absteigen wollte…

Das Organisationsteam hat in manchen Kehren für Verpflegung gesorgt. Lokale Spezialitäten, Saft und Wasser waren verfügbar. An anderen Ständen gab es das Trikot zur Veranstaltung zu erwerben. Da der Bike Day 2017 ebenfalls schon unter schlechtem Wetter gelitten hatte, waren das die gleichen – bisher unverkauften – Trikots. Das hatte mich aber nicht gestört. Zunächst wollte ich eines der Trikots am erstbesten Stand kaufen. Dort angekommen habe ich es aber nicht übers Herz gebracht, da und dort anzuhalten. Lieber wollte ich den Rhythmus behalten und beschloss, das Trikot auf dem Rückweg mitzunehmen.

Je näher wir der Franzenshöhe kamen, desto häufiger mussten wir zumindest kurze – 5-minütige – Pausen einlegen. Doch dann, nach 6 weiteren Kehren, schon verdächtig nahe der Baumgrenze, lag dieser Anblick vor uns:

Angekommen…

Franzenshöhe
Die Franzenshöhe. Endlich da! Angekommen! 🙂

Die Franzenshöhe – endlich angekommen. Nach insgesamt 1.250 Höhenmetern, ca. 20 Kilometer hinter Prad und nach gut 3 Stunden war die Quälerei vorbei. Völlig durchnässt, frierend und – in meinem Fall – hungrig gehen wir erst mal was essen. An „Siegerfotos“ ist für mich erst mal noch nicht zu denken. Drinnen gibt es zum Glück neben warmen und kalten Getränken auch allerlei leckeres Essen. Für mich eine Kürbissuppe. Die wärmt auch von innen. Und nachdem wir uns ein wenig aufgewärmt und umgezogen hatten, konnte ich auch das Gefühl von „Geschafft!“ genießen.

Kürbissuppe...
Kürbissuppe. Wenn man durchgefroren und nass ist gibt es nur wenig Besseres.

Kleiner Tipp an diejenigen, die so etwas erst noch vorhaben: Ich hatte weiter oben schon erwähnt, dass ich für die Auffahrt zwar lange, aber eher dünnere Kleidung angezogen hatte. Das war für mich genau richtig. Aber jetzt, für die bevorstehende Abfahrt, da musste es etwas trockenes und vor allem winddichtes sein. Deshalb:

  • Immer Ersatzkleidung mitnehmen, insbesondere wenn es eine Regenfahrt wird.
  • Bergab wärmer als bergauf (gut, das sollte eh jedem klar sein).

Umgezogen und bereit für die Abfahrt habe ich mich nochmal umgesehen und war fasziniert, wieviel Schnee seit dem Vorabend gefallen war. Und dann musste natürlich auch noch ein „Siegerbild“ sein:

Auf der Franzenshöhe
Nicht bis auf die Passhöhe… trotzdem stolz
Oben liegt Schnee
Mist… gestern war’s hier noch nicht weiß!

Und wieder nach unten…

Wer rauf fährt, muss irgendwann auch wieder runter. Soviel ist klar. Leider hat es aber immer noch geregnet und die Straße war entsprechend nass. Was schlechte Straßen (Wellen und Dellen, Bitumenflickerei) in Nass angeht, da bin ich ein Schisser. Das gebe ich gerne zu. Zumindest was die Bergabfahrt auf dem Fahrrad betrifft. Also habe ich darauf geachtet, immer langsam genug zu sein, um die nächste Serpentine noch ohne Risiko anbremsen zu können.

Beim Zwischenstopp am Trikot-Stand hat es mir die Bremsscheibe bei jedem Regentropfen mit einem leisen „zisch“ gedankt. Dabei offenbarte sich, wie heiß die Scheibe tatsächlich geworden war: Was ich mir nicht bei Regen trau, macht mir halt die Scheibe blau…

Blaugefahrene Bremsscheibe
Abfahrt bei Regen: Immer schön langsam – Scheibe blau

Glücklicherweise war ich für diesen passiven Teil der Bergfahrt warm genug angezogen, sodass ich zwar leicht frierend, aber angesichts der Gesamtsituation noch angenehm warm im Hotel ankam.

Trotzdem musste es – vor jedweder weiterer Aktivität – erst mal eine ausgiebige heiße Dusche sein. Dabei habe ich auch evaluiert, wie viel Warmwasser das Hotel bevorratet hatte: Ausreichend für 30 Minuten, dann wurde die Dusche kalt 🙁

Entgegen jeden möglicherweise gefassten Vorhabens lag ich danach zwei Stunden im Bett. Es ging absolut nichts mehr. Nicht stehen, nicht gehen, schon gar nicht sitzen und erst recht nicht aufstehen.

Somit gibt es vom Rest des Tages nicht viel zu berichten. Außer, dass ich froh bin, es getan zu haben und mich glücklich schätze, wieder heil unten angekommen zu sein. Den Sonntag verbrachten wir – wie schon den Freitag – überwiegend mit Autofahrt im Regen: 6 Stunden hat es für die 500km gebraucht.

To be continued…

Auch wenn mich manch einer für verrückt erklären wird: Wenn auch nur der Hauch einer Chance auf besseres Wetter besteht, dann versuche ich es 2019 nochmal..

Bis dahin freue ich mich über Feedback oder Kommentare zum Artikel und hoffe, daß er euch gefallen hat. Solltet ihr Fragen zu einem solchen Vorhaben, zu meinen Erfahrungen mit dem Fahrrad, dem Fahrradträger oder dem Event insgesamt haben, dann schreibt mich doch einfach an.

Liebe Grüße,
Bloke

Ein Gedanke zu „Auf-Ab: Wieso tu ich mir das an?“

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