Ich hatte es ja schon angekündigt…. letzten Samstag war ich mit Eva und einem Kollegen auf der Boot in Düsseldorf. Einerseits waren wir auf der Jagd nach ein/zwei Schnäppchen im Bekleidungs-Sektor, andererseits wollten wir uns einen Überblick über die neuen Segelboote verschaffen. Schließlich würden einige der neuen Modelle nächstes Jahr schon in den Charterflotten ankommen. Und man will ja wissen, worauf man sich einlässt…
Im Artikel von letzter Woche hatte ich ja schon von so manchen zweifelhaften Neuerungen geschrieben. Und leider hat sich manches davon auch bestätigt.
Zunächst haben wir uns die neue Bavaria C42 angeschaut. Nicht dass mich jemand falsch versteht. Das ist ein wirklich schönes Boot, mit viel Glasflächen, hellem Innenraum und modernem Design. Bad und Schlafzimmer sind schick und auch der große Tisch gefällt. Aber: Um einen noch bequemeren Abstieg unter Deck zu ermöglichen musste der Niedergang – bzw. der Dachausschnitt – vergrößert werden. Er wuchs in Breite und Tiefe. Damit kam der Ausschnitt der Großschot in die Quere, dem Seil, das die Stellung des Großsegels bestimmt und üblicherweise direkt nach dem Ausschnitt mittig auf dem Dach angebracht ist.
Wie auf dem Foto zu sehen, wurde die Großschot nun an die Seiten verlegt und läuft in einem auf dem Kopf stehenden „V“ an den Baum nach oben. Statt einem mittigen Seil, gibt es jetzt zwei seitliche. Somit muss die Crew bei einem Segelmanöver statt einer Großschot zukünftig zwei bedienen. Das macht zwar den Badeurlaub und das Leben an Bord bequemer, das eigentliche Segeln wird aber deutlich umständlicher. Ich hab dazu eine ziemlich klare Meinung…
Bloß nix selber machen: Selbstwender
Es scheint einen Trend hin zu Selbstwende-Focks zu geben. Diese Konstruktionen mögen beim normalen Segeln vielleicht sogar praktisch sein, weil man das Vorsegel z.B. bei einer Wende einfach in Ruhe lassen kann. Aber es gibt wichtige Manöver, die mit so einer Konstruktion nicht möglich sind: Beidrehen und Beiliegen. Diese werden insbesondere bei kritischen Situationen benötigt, wenn man mangels Hafen nicht anlegen kann, aber dennoch Ruhe im Boot benötigt. Auch bei einem „Mann über Bord“ Manöver wie dem Quick-Stopp und dem Münchner Manöver benötigt man das. Für mich ist eine Selbstwendefock ein klarer Sicherheitsverlust.
Außer natürlich, das Boot hätte zusätzlich zur Fock auch noch eine Genua, die ohne Selbstwendevorrichtung gefahren wird. Dann bräuchte ich aber auch keine (Selbstwende-)Fock, weil ich überwiegend mit der Genua unterwegs wäre.
Hebel auf den Tisch? Auf den Boden!
Wenn man beim Boot Vollgas gibt, dann sagt man so schön: Hebel auf den Tisch! Das kommt aus einer Zeit, wo der Gashebel schön in Reichweite oben auf dem Armaturenbrett angebracht war. Bei Segelbooten auch gerne am Steuerstand, beim Steuerrad. so wie hier zu sehen:
Alles an einem Platz, und beim Rangieren im Hafen auch gut im Stehen zu bedienen. Neuerdings (zugegebenermaßen schon seit ein paar Jahren…) gibt es den Trend, die Steuerstände zu verkleinern. Möglicherweise, um mehr Platz im Cockpit zu schaffen. Dazu müssen aber leider wichtige Elemente den Platz wechseln. So wandern die Kartenplotter (TFT-Bildschirme mit Seekarten) vom Steuerstand z.B. an den Esstisch im Cockpit. Und der Gashebel wandert vom Steuerstand seitlich an das Fußende der Sitzbank, in Knöchelhöhe. So sind sie dann im Stehen gar nicht mehr nutzbar, das Boot kann eigentlich nur im Sitzen unter Motor gefahren werden. Dadurch sieht man aber nach vorne nix mehr. Das ganze sieht dann so aus:
Nach meiner persönlichen Einschätzung das hirnrissigste Konzept nach dem Doppelruder…
A propos Doppelruder… Zu den immer öfter anzutreffenden Doppelrudern habe ich schon im letzten Artikel etwas geschrieben. Hier noch zur Ergänzung: Ich lasse mir das gefallen, WENN das Boot dann wenigstens ein Heckstrahlruder hat. Diese Errungenschaft findet sich in der Regel aber nur an teureren Exemplaren. Dort dann aber auch bei nur einem mittigen Ruderblatt.
Wie’s richtig geht. Schöne Details für richtig viel Asche
Wo ich gerade von „teureren Exemplaren“ schreibe… Es gibt da eine kleine Handvoll Anbieter, deren Schiffe man nie in Charterflotten antreffen wird. Einfach deshalb, weil die Boote dafür viel zu teuer sind. Eine 42-Fuß Yacht eines Brot-und-Butter Anbieters wie Bavaria liegt bei ca. 180.000 Euro. Ein Schiff der gleichen Größe liegt bei Hallberg-Rassy oder Najad schnell über 600.000 Euro.
Dieser Mehrpreis hat natürlich verschiedene Gründe. Einerseits zahlt man einen Aufpreis für den Namen des Herstellers. Aber andererseits eben auch für mehr Qualität, mehr Handarbeit, mehr Ausstattung, individuelle Sonderwünsche und teilweise durchdachtere Konzepte. Es ist hier nicht möglich wirklich alles im Detail zu beschreiben, aber ich habe ein paar Beispiele mitgebracht 😉
Steuerstand
Da ich bereits oben von den unterschiedlichen Steuerständen geschrieben habe, mache ich damit gleich weiter: Ja, der Gas-Hebel ist ein Merkmal, an dem sich „modisch stylisch aber unpraktisch“ von „Klassisch aber effizient“ unterscheidet. Das setzt sich aber beim Rest der Steuerstände analog fort.
So bieten Hallberg-Rassy und Najad eine rundum-sorglos-Ausstattung für den ambitionierten Segler, mit sinnvollen Extras und Unterstützungen. Daraus entstehen Kommandozentralen, die so aussehen:
Vom Kartenplotter über Bug- und Heckstrahlruder, zu Gashebel und allerlei elektrischer Helferlein alles komplett und an Ort und Stelle.
Extras
Über sinnvolle Details am Steuer hinaus gibt es aber jede Menge weitere Extras und von allem „mehr und stabiler“. Kräftigere Winschen – gerne auch elektrisch. Mehr Gewicht, mehr Segelfläche, mehr Benzin im Tank, mehr Pferdestärken und größere Frischwassertanks. Zusätzliche Stromgeneratoren, Wasserentsalzung und, und, und. Den Vogel schießt Najad ab, die sogar am Heck einen elektrischen Anker bieten. Sowohl bei Najad als auch bei Hallberg-Rassy kann man sogar das Segel Setzen und Bergen vollständig elektrifizieren und damit quasi alleine über den Atlantik segeln 🙂
Mehr verschiedene Layouts
Als die bedeutendste Wahlmöglichkeit bei den High-End Booten sehe ich die Option, sich zwischen einem Mittleren Cockpit (centre cockpit) und einem Achter Cockpit zu entscheiden. Das hat beides Vor- und Nachteile. Wie immer. Aber das Center-Cockpit bietet:
- Besseren Schutz am Steuer vor Wind und Wetter
- Weniger Bewegung am Steuer (Auf/Ab)
- Eine fast schon unanständig große Achter-Kabine
A propos Achterkabine: Da Najad und Hallberg-Rassy im Gegensatz zu den „Normalanbietern“ nicht die kompletten Yachten aus dem Fertigbaukasten zusammen stecken, hat man beim Innenausbau jede Menge Optionen und kann sich so eine fast individuelle Yacht bauen lassen. Wie sagte einer der Berater am Stand: If you pay that much money for a yacht this size, you can pretty much ask us to build anything.
Man darf sich dann aber nicht wundern, wenn man den Preis des Bootes von „nackt“ 500.000 Euro auf über eine Million nach oben treibt.
Ich bin dann mal auf der Suche nach einem Zweit- und Dritt-Job…
Bloke